Helmut Schleich im Interview


Helmut Schleich im Interview

Helmut Schleich und die Geranien-SS

Geständnisse: Er fühlt sich nicht als Europäer, nicht einmal als Deutscher oder Bayer – dabei kann der Kabarettist Helmut Schleich fast bayerischer sein als Franz Josef Strauß. Und geboren ist er eh in Schongau.

Helmut Schleich ist einer der markantesten Unterhalter in der deutschen Kabarettszene. Er hat sich als scharfzüngiger und treffsicherer Beobachter der gesellschaftlichen und politischen Verwirrungen in Deutschland und der Welt einen Namen gemacht. Als glänzender Imitator bringt er unter anderem Papst Benedikt XVI. und vor allem den zornigen Franz Josef Strauß beeindruckend auf die Bühne. Der 47-jährige Künstler und Autor ist auch durch seine Auftritte im Fernsehen bundesweit bekannt. Unter seinen zahlreichen Auszeichnungen sind der Deutsche Kleinkunstpreis und der Bayerische Kabarettpreis. (...)

Herr Schleich, wo stören wir Sie gerade?

Helmut Schleich: Ich arbeite gerade in Bonn an einer Sendung meiner Reihe „SchleichFernsehen“ zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß. Morgen drehen wir im Palais Schaumburg, wo sich Adenauer und der junge Strauß begegnen werden. Das klingt nach einem nostalgischen Gipfeltreffen.

Wie hat Ihnen der G7-Gipfel mitten in Bayern gefallen?

Schleich: Das war ein beschämend grandioser Gipfel, für den Seehofer mindestens 130 Millionen bezahlt hat – und das, ohne selbst eingeladen zu sein. Das war an Erbärmlichkeit kaum zu übertreffen. Und dann lassen sie auch noch ihre Gebirgsschützen, die sogenannte Geranien-SS, aufmarschieren und machen aus diesem nutzlosen Treffen einen echten Trachtengipfel. Die Einschränkungen und Verbote gegenüber den Demonstranten waren ein Tiefschlag für die Demokratie! Das weckt meinen Zorn, und der ist gut fürs Kabarett.

Und der massive Polizeieinsatz?

Schleich: Am liebsten hätten die Oberen eine bayerische Armee geschickt mit bayerischen Panzern, wenn sie?s denn hätten. Mit dem Polizeieinsatz waren die Bayern zufrieden, vor allem die obrigkeitshörigen Altbayern. Das sind keine Rebellen, die tun nur manchmal so. Die fränkische Mentalität mag da eine andere sein.

Mit Stolz hat man verkündet, dass dank verstärkter Grenzkontrollen einige Verbrecher ins Netz gegangen seien.

Schleich: Also machen wir die Grenzen wieder dicht? Kontrollen verstärken, Macht demonstrieren lautet das rückwärts gerichtete Motto. Die sie mehr erwischt haben, waren in der Hauptsache Menschen, die ohne gültige Papiere nach Deutschland einreisen wollten. Ist das ein Verbrechen? Kein Mensch ist illegal!

Plädieren Sie für ein grenzenloses Europa?

Schleich: Nein, so eine Grenze ist auch irgendwie was Schönes. Da trauere ich ein wenig dem alten Europa nach: Die Faszination des Fremden jenseits der Grenze geht verloren. Der Reiz der fremden Währung ist verflogen. Die europäische Einheitsduselei gefällt mir nicht. Ich halte dieses Einheitseuropa für keine gute Idee. Kleinere Einheiten sind menschlicher, weil überschaubarer. Bei der Gemeinschaftsidee geht es vornehmlich um wirtschaftliche Interessen. Der gemeinsame Markt floriert, Gewinn ist die Maxime – Deshalb auch TTIP mit den USA. Wir müssen uns ja nicht gleich einmauern. Aber bedeutend mehr die regionalen Strukturen schützen.

Fühlen Sie sich als Europäer?

Schleich: Ich reise gerne ins Ausland, nach Frankreich oder Griechenland oder Portugal. Ich mag diese Länder, aber mit dem einzelnen Portugiesen habe ich nicht viel gemeinsam. Ich bin von der Europaidee nicht eingenommen. Ich fühle mich nicht als Europäer! Ich fühle mich ja noch nicht einmal als Deutscher oder Bayer. Als Schwabinger vielleicht . . .

Was geht aus Ihrer Sicht mit Griechenland ab?

Schleich: Die Griechen haben Tsipras gewählt, weil er sich massiv gegen das Spardiktat der europäischen Geldgeber, das eine breite Masse in Hellas in Existenznot bringt, gewehrt hat. Nun sollte das Volk in einer demokratischen Abstimmung den weiteren Weg mitentscheiden. Ich empfinde es als Unverschämtheit und Frechheit gegenüber den Griechen, wenn dieser ernste Kampf zwischen Kapital und Demokratie hämisch kritisiert und ins Lächerliche gezogen wird. Ich hätte mir von Merkel, Schäuble und Gabriel, der auf dem besten Weg vom SPD-Chef zum CDU-Ehrenvorsitzenden ist, mehr Großzügigkeit erwartet. Aber deren Haltung ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Politik zur Dienstleisterin der Wirtschaft verkommen ist.

Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre weit gefächerte und Energie raubende Arbeit im Fernsehen, im Rundfunk und auf der Bühne?

Schleich: Das ist wirklich manchmal ein Knochenjob. Es ist andererseits aber auch ein großartiges Privileg, wenn man die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens erheiternd oder zornig in der Öffentlichkeit darstellen darf – und davon leben kann! Das Lesen, Sammeln und Recherchieren macht unheimlich Spaß. Aus interessanten Unterhaltungen gewinne ich neue Ideen und Themen. Und viele Kollegen bestätigen: Je mehr man arbeitet, desto mehr fällt einem ein! Trotzdem brauche auch ich Pausen. In vier Wochen beginnen die großen Ferien (lacht).

Am 17. Juli treten Sie beim Kabarettfestival in Aub mit Ihrem Programm „Ehrlich!“ auf. Welche Wahrheiten erwarten das Publikum?

Schleich: Mein Programm „Ehrlich“ hat den Untertitel „Ein Abend der Geständnisse“, und davon gibt es in diesem sehr politischen Programm einige. Es geht um Anspruch und Wirklichkeit in Bayern, in Deutschland, in Europa und in der Demokratie schlechthin. Die Frage ist doch: Wie viel Ehrlichkeit verträgt der Mensch? Absolute Ehrlichkeit immer und überall verträgt man nämlich nicht. Die (Not)-Lüge beansprucht ihren Platz im Leben zu Recht.

Was Sie schon immer sagen wollten ...

Schleich: ... das sage ich auf der Bühne und nicht im Interview!


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