Süddeutsche Zeitung, Mai 2014


Süddeutsche Zeitung, Mai 2014

Immer besser

Helmut Schleich beschenkt die Fans mit „Ehrlich!“ zum Jubiläum

Routine hat oft den Beigeschmack der Langeweile. Einem Helmut Schleich wird man mit diesem Begriff nicht gerecht, das darf man nach der Lustspielhaus-Premiere seines Jubiläumsprogramms (30 Bühnenjahre) „Ehrlich!“ behaupten: Der Altgediente des bayerischen Typenkabaretts wird immer aufregender. Es paaren sich hier: erprobte Bühnenfigurenmit neuen, abgeklärte Einsicht mit unverbrauchter Angriffslust, tiefsinnige mit nur lustigen Passagen; samt und sonders glänzend betextet (auch dank Co-Autor Thomas Merk). Dass ein noch größerer „Routinier“, Rainer Pause, zum dritten Mal Regie führt, hat sicher nicht geschadet.

„Ehrlich“ ist also das Motto. Tatsächlich, als Franz Josef Strauß geht Schleich so hart mit Stoiber, Hoeneß & Co ins Gericht, wie ihm das wohl nur in dieser Rollemöglich ist. Genial, wie er den Ex-Landesvater und -polterer dann – von einer Szenenübergreifenden „Dornkaatschorle“ beflügelt – Zug um Zug sich selbst demontieren lässt. In seiner Lieblingsfigur des ältlichen Gesangslehrers Heinrich von Horchen („Ich unterrichtete schon den jungen Eleven Jopi Heesters“) tritt er sogar fast die Nachfolge des Georg Schramm’schen Krawallrentners Dombrowski an – fehlt nur der Glace-Handschuh. Einzig der Sketch
gegen modernes Regietheater ist ein denunziatorischer Kabarett-Topos – aber Schleich spielt das hinreißend komisch.

Und darum geht es: Ob als beschränkter bayerischer Biertischbruder oder als für den EU-Beitritt werbender Milizen-Diktator eines russischen Satellitenstaates, es gibt kaum einen Kollegen mit vergleichbarer darstellerischen Bandbreite. Dass man wie bei einem Krimi die Auflösung von Schleichs Rahmenszene als fränkische „Bestie von Doddelbach“ nicht verraten mag, zeigt, wie genial sich „Ehrlich!“ zu einem Stück fügt.

VON OLIVER HOCHKEPPEL


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