Donaukurier, September 2014


Donaukurier, September 2014

Kabarettistisches Chamäleon

Helmut Schleich begeistert mit seinem neuen Programm „Ehrlich“ das Publikum im Ingolstädter Festsaal

„Kinder und Narren sagen die Wahrheit“, so der Volksmund. Der Rest der Menschheit freilich lüge sich nach Helmut Schleich mehr oder weniger durchs Leben, was aber gut sei, denn die reine Wahrheit auf Fragen wie „Schatzi, bin ich zu dick?“ sei ja durchaus risikobehaftet.

Nachdem das jeder wisse, sei es im Grunde völlig naiv, ja, absolut lächerlich, ausgerechnet von Politikern absolute Ehrlichkeit zu verlangen. Das hindert den Münchner Kabarettisten freilich nicht, sein brandneues Programm, mit dem er an diesem Abend als Nachschlag auf die Kabaretttage 2014 im Theaterfestsaal gastiert, „Ehrlich“ zu nennen.

Gleich zu Beginn gesteht „Die Bestie von Dottelbach“ diverse Morde an von ihm in die Kategorie „Nervensäge“ eingestuften Mitbürgern, anschließend erklärt ein vom Terroristen zum Präsidenten von „Kitschakirsisien“ aufgestiegener Despot den Resteuropäern, wie Demokratie geht, dann erregt sich der durch frühere Programme bereits eingeführte Heinrich von Horchen über den respektlosen Umgang mit unseren Alten, über staatlich verordnete Abhöraktionen und die unverschämte Art und Weise, mit der heutzutage einem vermeintlich mündigen Volk Kriege schmackhaft gemacht werden.

Schleich bedient sich diverser Sprachrohre, schlüpft einem virtuosen kabarettistischen Chamäleon gleich in verschieden Rollen, verschmilzt mit ihnen dermaßen, dass man als Zuhörer bereits nach wenigen Worten im Grunde nicht mehr Schleich, sondern tatsächlich der jeweiligen Figur lauscht. Optik, Mimik, Gestik, Sprechweise und Duktus – es passt alles. Die Ausstattung der Figuren ist perfekt, da stimmt jedes Detail.

Ist Schleichs Stammtischhocker mit all seinen absurd-komischen gedanklichen Kausalketten schon allererste Sahne, ist sein Franz Josef Strauß nach wie vor seine Paraderolle. Er als deren Gründervater darf „seiner“ CSU all das um die Ohren hauen, was man dem Kabarettisten Schleich übel nehmen könnte.

Er darf das aktuelle Parteipersonal auseinandernehmen, dass es nur so staubt. Und nachdem Schleich/Strauß gerade zufällig in Ingolstadt ist, kommt, was kommen muss: „Früher hatten wir Haderlumpen, heute haben wir Haderthauer“, sagt er, und: „Ich habe früher noch höchstpersönlich einen lebhaften Handel mit Leopard-Panzern betrieben, heute handeln sie mit Modellautos. Wie jämmerlich ist das denn?“

„Ehrlich“ – Das bedeutet Klartext, das sind aber auch Äußerungen durch die Blume, die man erst einmal wirken lassen muss, um ihre ganze Tragweite zu ermessen. Beides zusammen ergibt ein vergnügliches, anspruchsvolles, blitzgescheites und vorzüglich konzipiertes Programm. Ein ganz großer Wurf! Ehrlich!

VON KARL LEITNER


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