Südkurier, März 2015


Südkurier, März 2015

Wenn der Mann mit der Maske kommt, stockt einem der Atem. Breitbeinig, breitschultrig, so bedrohlich wie massig – noch dazu in Schwarz und brüllend, als gelte es eine ganze Fan-Kurve zum Schweigen zu bringen. „Auf den Boden!“, poltert der Maskierte. Er droht, dass scharf geschossen wird bei Zuwiderhandeln. „Du nix laachen – sonst kapuut!“ Bis endlich nach einer zugegeben sehr langen Schreck-Sekunde der Mann mit der Strick-Sturmhaube sein Gebrüll in ein brüllendes Gelächter umschlagen lässt.

„Ein Wieetz! Alles nur ein Wieetz!“, ruft er und schiebt die Maske übers Gesicht. Helmut Schleich ist Wladimir Kolaschwiri (oder so ähnlich – wer mag die einzelnen Silben eines gekonnt guttural dahergegossenen Kaukasien-Idioms schon so genau voneinander zu trennen?). Jedenfalls gehört dieser finstre Wladimir Kolaschwiri, offenbar jüngst an die Macht geputschter Miliz-Führer der Republik Kitschakirsien, zu den neuen Glanzlichtern im Figuren-Pantheon des bayerischen Kabarettisten.

Neben Helmut Schleichs bisherigen Paraderollen: Franz Josef Strauß als auch im Jenseits vor lauter Wut bis zur Atemnot empörter Polit-Beobachter – oder Heinrich von Horchen, ein abgehalfterter Kammersänger und Gesangslehrer, dessen Artikulation stark an einen brodelnd, blubbernd Schlamm und Dampf speienden Geysir erinnert.

Jener Kitschakirsische Präsident jedenfalls gibt sich alle Mühe, in die Riege der lupenreinen Demokraten aufzuschließen. Er wirbt um die Aufnahme seines Lands in „E-Uropa“ – kein „Wieetz“. Wiewohl Schleich dem Euroland an anderer Stelle seines Programms gehörig die Leviten liest. Und voreiligen „Gesinnungsapplaus“ aus dem Publikum im Markdorfer Theaterstadel unterbindet er. „Warten Sie lieber ab, bis ich fertig bin!“, raunzt Schleich.

„Was Bismarck sich nicht getraut hat“, so Schleich, „das hat die Alte geschafft“. Er meint die Kanzlerin. Nur bediente die sich nicht der Truppe – wie auch, wenn die einen familienfreundlichen Kuschel-Kurs fährt – die Kanzlerin erobere Europa durch Finanzpolitik und Wirtschaftskraft. Soviel Ehrlichkeit nimmt sich Schleich heraus. Seine Zuhörer honorieren das.

Zumal der Kabarettist seine bisweilen gnadenlosen Ausfälle mit begnadeter Schauspielkunst umkleidet. „Ehrlich“ ist eine Offenbahrung.

VON JÖRG BÜSCHE


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