Mühldorfer Anzeiger, Juli 2015


Mühldorfer Anzeiger, Juli 2015

Kabarettist Helmut Schleich in Bestform

Betretenes Schweigen, tosender Applaus. Helmut Schleich rief auf dem Sommerfestival im Haberkasten-Innenhof ganz unterschiedliche Reaktionen hervor.

Auch das Schweigen war als Anerkennung gedacht, denn manche Spitzen musste das Publikum erst einmal sacken lassen. Ein Raunen im Publikum entgegnete der Kabarettist nur mit: "Empören Sie sich doch nicht schneller, als Sie denken können."

Und so lief Schleich im Laufe des Abends zur Höchstform auf. Kabarett darf, ja muss irritieren, so der Künstler. Dafür schlüpft er in seinem aktuellen Programm "Ehrlich!" wieder in ganz unterschiedliche Rollen. In die der "Bestie von Doddlbach" zum Beispiel - ein fränkischer Massenmörder, der alle erschießt, die ihn ärgern - Sparkassenberater, Bauarbeiter, Gastwirt. Von Schleich gespielt in schön gruseliger Harmlosigkeit.

Daneben gibt es ein Wiedersehen mit Heinrich von Horchen, dem abgehalfterten Gesangslehrer, der nicht mehr ganz taufrisch und sabbernd seine eigenwillige Sicht auf die Welt verbreitet. Schleich als wunderbarer Schauspieler, wie er in Zylinder und weißem Schal über die Bühne wackelt und versucht, zeitgleich Speichelfluss und komplizierte Wörter unter Kontrolle zu bringen.

Inhaltlich arbeitet der alte von Horchen die Griechenland-Krise auf, wobei Schleich seinen Figuren alles andere als massentaugliche Perspektiven verpasst. Es sei die größte Frechheit der griechischen Regierung gewesen, dass sie nach der Wahl das umsetzen wollte, was sie zuvor versprochen habe. "So geht das nicht in einer Demokratie", lässt der Kabarettist Schäuble kommentieren.

Auch ein betrunkener Milizionär irgendeiner dubiosen russischen Teilrepublik reiht sich in das Figurenkabinett ein. Die Charaktere wechseln, während eine Doornkaat-Schorle zum Running-Gag mutiert.

Mit Franz-Josef Strauß setzt Schleich den Höhepunkt des Abends: Strauß zeigt sich aus dem Jenseits entsetzt über die Gestalten, die "seine" CSU heute beherrschen. Dass Seehofer 130 Millionen für einen Gipfel ausgeben habe, zu dem er selbst nicht einmal geladen gewesen war, wäre ihm nie passiert. Es folgt ein Rundumschlag, bei dem es Generalsekretär Andreas Scheuer von der "Phrasendreschmaschine" zum "Worthülsenvollernter" schafft. Und Edmund Stoiber zum "sprechenden Aktendeckel".

Dass nicht immer alles einstudiert sein muss und er auch spontan witzeln kann, beweist Schleich, als ihn ein Fotograf bei der Strauß-Rede ins Visier nimmt: "Sie wissen schon, wenn Sie den Satan fotografieren, haben Sie hinterher ein leeres Bild?"

Am besten und auch am bösesten ist Schleich, wenn er über das Wesen der Bayern schwadroniert. Der Kabarettist will nicht gefällig sein; es sei denn, er schlüpft in die Rolle des Bankers, der an das Geld seines Gegenübers will.

Ansonsten ist und bleibt Helmut Schleich unbequem, bezeichnet das vom Bayrischen Rundfunk kultivierte Bild Bayerns als "ein riesiges Freiluftmuseum: ausgestorbene Berufe, unverständliche Dialekte und mitten drin ein Promikoch, der Weißwürste paniert."

VON KATHARINA VÄHNING


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